Thesis WordPress Theme: mehr Kontra als Pro

Das Thesis WordPress Theme* ist eine einfache Möglichkeit, einen Großteil der notwendigen Anpassungsarbeiten für ein neues Blog über das WordPress-Backend (die „Thesis Options“) abzuwickeln. So zumindest das Verkaufsargument, das die Thesis-Macher sich auf die Fahnen geschrieben haben. Dieser Fakt lässt sich nicht bestreiten: mit der Oberfläche sind etliche Änderungen in Windeseile gemacht und schnell Ergebnisse beim Blog-Einrichten zu sehen. Trotzdem habe ich mich dagegen entschieden, Thesis weiter für Webprojekte einzusetzen.

Kürzlich gab es einigen Hick-Hack um das Thesis-Theme bezüglich der nach Meinung der WordPress-Entwickler fehlenden GPL-Anerkennung bzw. -Lizensierung des kommerziellen Themes. Die Fronten waren regelrecht verhärtet und die Situation hatte sich über einen längeren Zeitraum aufgestaut und alles lief auf einen handfesten Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang hinaus, als der Thesis-Entwickler sich zum Einlenken bereiterklärte. Nun, da das Theme unter einer geteilten Lizenz steht, sind diese Probleme beigelegt.

Trotzdem werde ich das Theme (das ich vor längerer Zeit gekauft hatte) nicht mehr einsetzen. Jedoch nicht aus Lizenz-politischen Gründen, sondern ganz pragmatisch aus folgenden Überlegungen heraus:

  1. Die Verwendung von Thesis führt mich als Entwickler weiter weg von WordPress, das in den letzten Jahren stark zugelegt hat in der Unterstützung von Features, die früher nur durch Plugins realisiert wurden. Das alles geschieht in einem Tempo, das ich als angemessen und weder übereilt noch zäh ansehe. Um eine mit Thesis realisierte Seite wirklich für die benötigten Zwecke anzupassen, ist eine Bearbeitung von Dateien unerlässlich. Alles lässt sich eben nicht per Klicki-Bunti-Oberfläche und einen „Big-Ass-Save-Button“ realisieren. Auch wenn dort ein File-Editor inkludiert ist – komfortabel ist das im Vergleich zur Entwicklungsumgebung nicht. Somit macht es für mich keinen großen Unterschied, ob ich mir zuvor die wichtigsten Werte per Weboberfläche zusammenklicken konnte. Jeder, der eine Weile mit WordPress arbeitet und mehrere Seiten damit aufgesetzt hat, wird sowieso dazu übergehen sein eigenes Grundtheme zu nutzen bzw. Set von Regeln abzuspulen und eine „Bibliothek“ mit Plugins aufzubauen, die immer wieder verwendet werden.
  2. Es wird eine eigene Welt geschaffen, in der ich mich als Thesis-Nutzer nach einer Weile recht gut zurecht finde, jedoch ein „normaler“ WordPress-Entwickler (obwohl voll „im Stoff“ stehend) erst nach einiger Einarbeitungszeit. Eben das ist jedoch eine der großen Stärken, die WordPress über die Jahre mit zum Erfolg verholfen haben: jeder Entwickler der mit dem Grundsystem vertraut ist, kann entweder an einem Projekt  mitarbeiten oder die Weiterentwicklung des Projekts relativ problemlos übernehmen. Das Gleiche ließe sich zwar auch über Thesis selbst sagen, allerdings ist die Verbreitung eben nur bei einem Bruchteil der WordPress-Blogs gegeben. Eine Portierung der Einstellungen ist nur wesentlich umständlicher möglich, als wenn ich gleich für WordPress entwickle und maximal ein paar Anpassungen für eine neue Version vornehmen muss (was bisher immer recht reibungslos verlaufen ist).
  3. Die Abhängigkeit vom Theme steigt mit jedem verwendeten Thesis-Loop, mit jeder per Thesis-Options eingegebenen Blog-Einstellung. Ein Wechsel auf eine andere Lösung wird mit jedem Schritt schwieriger. Was aus geschäftlicher Sicht (von Seiten der Thesis-Entwickler) verständlich erscheint (Barrieren für einen Wechsel möglichst hoch zu bauen) macht aus meiner Sicht als entwickelnder Webdesigner wenig Sinn. Ich lege mir ein hübsches EiTheme ins Nest mit dem ich in ein paar Jahren möglicherweise unzufrieden bin, das aber dann schon ausgebrütet ist und sich so gar nicht nach meinem Geschmack entwickelt (oder erziehen lässt).

Meiner Meinung nach, hat Thesis besonders mit folgenden Elementen punkten können:

  • die einfache Verwaltung von (aufklappbaren) Menüs (mit Submenüs)
  • Verwendung von Bildern als Teaser wurde vereinfacht bzw. für viele Nutzer erst nutzbar
  • Möglichkeit zur komfortablen Eingabe von Suchmaschinen-relevanten Werten

Doch auch hier hat WordPress erst kürzlich mit der Version 3 deutlich zugelegt: sowohl die komfortable Menüverwaltung (auch wenn es hier wie immer noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt) als auch das neue Standard-Theme, das ein entsprechendens „Drop-Down-Menü“ mit Untermenüs „Out-of-the-box“ darstellen kann, sind deutliche Zeichen für die eingeschlagene Richtung. Pro Beitrag angepasste Themen- / Header-Bilder wurden auch als Bedarf von den WordPress-Entwicklern erkannt und eingeführt. Und ein TimThumb kann ich gerade noch selbst einrichten, dazu benötige ich kein kommerzielles Theme. Die Eingabe SuMa-relevanter Werte kann entweder über ein Plugin realisiert werden (Trennung von Layout und Inhalt) oder über selbst programmierte Masken (notfalls „rohe“ benutzerdefinierte Felder) eingegeben werden (gilt natürlich nur für den, der ein angepasstes Standard-Theme baut oder sich jedes Mal die Mühe machen möchte).

Trotzdem hat Thesis sicher seine Daseinsberechtigung – der über die Jahre aufgebaute Erfolg gibt da schon ein wenig Recht. Aber die Zeiten entwickeln sich (rasant) weiter und wenn ich Thesis mit der aktuellen Version vom Standard-WordPress-Theme und einigen installierten Plugins vergleiche, dann fällt mir nichts Signifikantes ein, was da fehlt (Vorschläge und Gegenmeinungen gern per Kommentar). Die Bequemlichkeit, die Thesis bis vor einiger Zeit noch zusätzlich gegenüber der Standard-Variante von WordPress geboten hat, ist nicht mehr sonderlich gr0ß. Und wenn ich die Wahl habe, möchte ich in diesem Punkt lieber unabhängig von einer Instanz bleiben, die sehr deutlich gezeigt hat, dass sie allein dem persönlichen Profitstreben eines Einzelnen untergeordnet ist – und der dabei auch schon mal in der Webgemeinde anerkannte und über Jahre gewachsene ethische Grundsätze leichtfertig über Bord wirft.

Es gibt diverse Theme-Frameworks für WordPress (wie z.B. auch das kommerzielle Genesis Theme Framework*), über die sich zum Teil das Gleiche wie über Thesis sagen lässt – trotzdem werde ich mir einige Varianten davon genauer anschauen und entscheiden, ob die Vorteile die sie bieten, die negativen Seiten (wie z.B. die potenzielle Abhängigkeit) aufwiegen.

Gabriel arbeitet seit 2003 als selbständiger Webentwickler und Berater für Marketing und Suchmaschinenoptimierung. Er ist am einfachsten per E-Mail unter gabriel [ät] suralin.de zu erreichen. Außerdem freut er sich über Kontaktanfragen auf Twitter und Facebook.

3 thoughts on “Thesis WordPress Theme: mehr Kontra als Pro

  • Hallo Gabriel,

    mit der Version 2.0 war ich zu Anfang auch schlicht überfordert. Thesis erfordert eine gewisse Zeit zur Eingewöhnung. Nach etwa einem halben Jahr experimentieren, will ich auf Thesis nicht mehr verzichten. Meine letzte Webseite war ein Online-Shop mit Woocomerce und Thesis. Und das läuft wie geschnitten Brot. Wer mal schauen möchte was geht. http://www.kaffeebecher24.de

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